Legierungswechsel bei pulverbettbasierter additiver Fertigung durch Variation von Schutzgaselementen
Kurzfassung
Durch die geschickte Kombination unterschiedlicher Schutzgaskomponenten mit entsprechenden Prozessparametern wie Kammerdruck und Laser-Leistung kann die lokale Zusammensetzung der Legierung und damit das Materialgefüge verändert werden – so entstehen in einem Arbeitsschritt aus CAD-Daten einsatzbereite Bauteile.
Vorteile
- Legierungszusammensetzung innerhalb einer Pulverschicht beeinflussen ohne aufwändiges Pulvermanagement
- Höhere Designfreiheit durch schichtunabhängige Eigenschaftsänderung (bspw. 3D-Randschicht)
- Materialeffizienz steigern
- Pulvermanagement stark vereinfachen
- Mannigfaltige Einflussmöglichkeiten bei gleichbleibender Pulverzusammensetzung
Anwendungsbereiche
Additive Herstellung metallischer Bauteile: Durch das schichtweise Auftragen eines Pulvers und das lokale Aufschmelzen mittels Laser- oder Elektronenstrahl entstehen in einem Arbeitsschritt aus CAD-Daten einsatzbereite Bauteile.
Hintergrund
Additive Fertigungsverfahren haben längst die Industrie erobert – ob für die Prototypenentwicklung oder in Serie – kaum ein anderes Verfahren bietet derart große Spielräume bei hoher Leistungsfähigkeit, insbesondere für komplexe und filigrane Bauteilgeometrien. Das gilt inzwischen auch für metallische Werkstoffe – mehr als 18 entsprechende Prozesse sind heute bekannt. Vorrangig sind dies pulverbettbasierte Verfahren wie das selektive Laserschmelzen (SLM) oder -sintern (SLS), denn mit ihnen lassen sich Bauteile endkonturnah herstellen – nur Funktionsflächen bedürfen noch einer Nachbearbeitung.
Problemstellung
Bei diesen Verfahren ist durch einen Wechsel des Pulvers zwischen den Schichten die Herstellung von Bereichen mit unterschiedlichen Materialeigenschaften theoretisch möglich. Jedoch erfordert dies einen großen technischen Aufwand in Bezug auf die Pulverzuführung, weshalb ein Pulverwechsel im Prozess heute in der Regel nicht durchgeführt werden kann. Außerdem kann durch einen schichtweisen Pulverwechsel kein Einfluss auf die Legierungszusammensetzung innerhalb einzelner Pulverschichten genommen werden, sodass die funktionelle Materialkomposition eines Bauteils derzeit noch von der Orientierung (Schichtung) im Bauraum abhängig ist.
Lösung
Das an der Universität Stuttgart entwickelte Verfahren zur schichtunabhängigen Beeinflussung der Legierungszusammensetzung macht sich die häufig ohnehin eingesetzten Schutzgase zu Nutze (falls das nicht der Fall ist, könnten auch geeignete Suspensionen verwendet werden). Die Zusammensetzung der lokal entstehenden Legierung und damit das Materialgefüge kann durch die gezielte Kombination unterschiedlicher Schutzgaskomponenten mit entsprechenden Prozessparametern wie Kammerdruck und Laser-Leistung verändert werden, denn schon geringe Mengen eines bestimmten Elements haben einen entscheidenden Einfluss auf die Legierung. So sind auch innerhalb einer homogen aufgetragenen Pulverschicht individuelle Gefüge-Manipulationen realisierbar und teure Elemente können effizient eingesetzt bzw. eingespart werden. Beispielsweise kann Stickstoff als Legierungselement im Schutzgas als Austenitbildner zum Einsatz kommen, Wasserstoff für eine gezielte Porenbildung sorgen oder Sauerstoff zur Reduktion des Kohlenstoffanteils beitragen – in Verbindung mit geeigneten Prozessparametern lassen sich zudem lokal sogar Effekte erzielen, die sonst nur durch gezielte Nachbehandlung wie beispielsweise eine in-situ Wärmebehandlung entstehen.
Rostfreie Randschichten oder funktionelle Bereiche im Innern eines Bauteils werden lokal und gezielt dort realisiert, wo sie benötigt werden. Die pulverbettbasierte additive Fertigung wird so nicht nur kostengünstiger, sondern auch nochmal flexibler.