Phosphat spielt in der Ernährung des Menschen für den Aufbau von Knochen und Zähnen und für den Energiestoffwechsel eine herausragende Rolle. Unsere DNA-Doppelhelix enthält Phosphat als zentralen Baustein. Ohne Phosphor ist kein Leben möglich.
Phosphat wird aus Mineralien gewonnen. Die größte Menge an Phosphat, über 90 Prozent, wird als Dünger auf unsere Felder gebracht. Da Deutschland selbst über keine Abbaulager verfügt, ist es auf den Import von außen angewiesen. Etwa 88 Prozent der derzeit nachgewiesenen Rohphosphatreserven liegen in China, Marokko, Algerien, Syrien, im Irak und der Westsahara. Allein Baden-Württemberg importiert jährlich ca. 12.000 Tonnen Phosphor.
Zur Abhängigkeit vom Ausland kommt hinzu, dass die weltweiten, bislang abbauwürdigen Vorräte endlich sind und nach wissenschaftlichen Schätzungen in ca. 200 Jahren zur Neige gehen könnten.
Diesem Engpass steht das Problem von zu viel Phosphat im Abwasser gegenüber. Große Phosphatfrachten kommen über das Abwasser bei den Kläranlagen an. Bevor das Wasser in die Flüsse weitergeleitet wird, muss das Phosphat entfernt werden, um eine Überdüngung der Gewässer zu vermeiden. Es liegt nahe, durch Recycling von Phosphat aus dem Abwasser eine unabhängige Phosphatversorgung zu sichern und damit zugleich ein Umweltproblem zu lösen.
Das von der Baden-Württemberg Stiftung beauftragte Forschungsprojekt setzt hier an und geht neue Wege, um die Möglichkeit einer simultanen Elimination und Rückgewinnung von Phosphat in Kläranlagen aufzuzeigen.
Effizient zur höchsten Reinheit
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC und der Universität Stuttgart haben Partikel entwickelt, die Phosphat binden und gleichzeitig magnetisch sind. Werden sie dem Abwasser zugegeben, wirken sie wie Kleber und binden den Rohstoff an sich. Mittels Magneten werden die Partikel aus dem Wasser gezogen. Die Verbindung kann wieder getrennt werden, so dass die magnetischen Partikel weiter verwendet werden können.
Die Leistung des Teams bestand darin, die Magnetpartikel im Hinblick auf die adsorbierbare Menge, die Selektivität und den Entladungsmechanismus maßgeblich zu optimieren.
Einer der Erfinder und Projektpartner Dr. Carsten Gellermann vom Fraunhofer-Institut ISC betont: “Es ist uns gelungen, schaltbar magnetische Partikel herzustellen, die gut abtrennbar sind. Zudem sind sie aufgrund der gut verfügbaren Edukte kostengünstig und können nach Entfernen der Phosphor-Komponente wiederverwendet werden.“
Frau Prof. Heidrun Steinmetz, Inhaberin des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft und Wasserrecycling (ISWA) Stuttgart, ergänzt einen weiteren Vorteil des Recyclings: „Eine weitverbreitete Meinung ist, dass das recycelte Produkt aus Abwasser unreiner sei, als der neu aus Erdlagern abgebaute Rohstoff. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Durch die technische Aufbereitung wird der Phosphor von anderen Stoffen abgetrennt, so dass das Produkt somit einen höheren Reinheitsgrad hat.“
Wirtschaftlichkeit im Fokus
In einem derzeit laufenden Projekt werden die Wirtschaftlichkeit und die Anwendbarkeit der Erfindung für den großtechnischen Einsatz in einem Klärwerk unter realen Bedingungen geprüft. Zum Projekt gehören auch die Entwicklung einer geeigneten Prozessführung zur Wiederverwendung der Magnetpartikel und die Weiterverarbeitung des zurückgewonnenen Phosphats.
Zur Absicherung ihrer bereits geleisteten und ihrer zukünftigen Investitionen arbeitet die Baden-Württemberg Stiftung mit der Karlsruher Patentverwertungsagentur Technologie-Lizenz-Büro (TLB) zusammen. TLB hat die Erfindung bereits zum Patent angemeldet und die Patentstrategie entsprechend der weltweiten wirtschaftlichen Bedeutung ausgerichtet. Verantwortlich für die Patentierung, das Marketing und die Kommerzialisierung der Erfindung ist Dr. Frank Schlotter, Leiter der Abteilung Life Sciences bei TLB.
„Nach erfolgreichem Abschluss des laufenden Projektes wird das Verfahren zusammen mit Industriepartnern wie Anlagenbauern, Fällungsmittelherstellern, Herstellern von Magnetseparatoren oder Düngemittelproduzenten zu einem technisch durchführbaren Prozess weiterentwickelt werden. Hier werden wir bei der Suche nach Partnern und bei der Gestaltung etwaiger Kooperations- und Lizenzvereinbarungen unterstützen“, konkretisiert Frank Schlotter die nächsten Schritte des Verwertungsprozesses.
Investition in die Zukunft: Reinheit der Abwässer
Der Abteilungsleiter Forschung der Baden-Württemberg Stiftung Rudi Beer stellt die Erfindung in einen größeren Zusammenhang: „Das Projekt bietet eine gute Lösung zu umwelt- und wirtschaftspolitischen Fragenstellungen. Wenn wir hier investieren, haben wir neben dem wirtschaftspolitischen Aspekt der Rohstoffverknappung vor allem auch die aktuelle EU-Gesetzgebung zur Wasserreinhaltung im Fokus. Sie schreibt für die Zukunft eine geringere Phosphat-Belastung für aufgereinigte Abwässer vor, die in die Flüsse geleitet werden. Hier kann die Erfindung einen entscheidenden Beitrag leisten.“
(Dr. Regina Kratt)